Worldcup Finale Rudern auf dem Luzerner Rotsee

Vor den alljährlichen Weltmeisterschaften gibt es für die internationale und nationale Ruderelite nur drei große Gelegenheiten ihre aktuellen Bootsbesatzungen gegen die Weltspitze antreten zu lassen. Doch individuelle Trainingssteuerungen der einzelnen Nationen sehen es nicht immer vor, alle drei großen Weltcup-Regatten zu besuchen. Die ersten beiden Stationen in München und Posen/Polen waren zwar schon recht gut besucht, aber zum großen Finale der Worldcup-Serie im schweizerischen Luzern kommen wirklich noch einmal alle, um knapp zwei Monate vor den Weltmeisterschaften in der berühmten englischen Schulstadt Eton ihre Wettkampfform zu testen.
Und inmitten dieser Weltklasseruderer darf natürlich auch ein ambitioniertes Ratzeburger Trio nicht fehlen. Marco Geisler, Jörg Lehnigk und Nils Budde rudern zwar alle in verschiedenen Bootsklassen, dennoch bisher nicht mit wenig Erfolg. Der 32jährige Bundespolizist und Familienvater Marco Geisler macht mittlerweile ordentlich Betrieb im Mittelschiff des National-Doppelvierers von Bundestrainer Lothar Trawiel. Auf der Position zwei im so genannten Maschinenraum kann das Zweimeter-Kraftpaket seine ganze physische Stärke in den Vortrieb einbringen, was für den erfahrenen Routinier ein leichtes Spiel sein dürfte, hat er doch seit knapp 10 Jahren schon fast ein Abonnement auf das erfolgreiche Skullgroßboot.
Nach einem Generationenwechsel hat der mehrfache Weltmeister nun drei junge Kollegen ins Boot bekommen und alle waren gespannt, wie stark der deutsche Vierer dieses Jahr wirklich ist. Nach dem Höhentrainingslager war der Doppelvierer schließlich überraschend stark zurückgekehrt und belegte bei dieser weltbekannten prestigereichen Regatta in der Schweiz einen starken zweiten Platz hinter den Tschechen, den Siegern von München. „Wir haben mit unserer Mannschaft schon einen gewaltigen Sprung nach vorne geschafft, es wartet jedoch noch viel Arbeit auf uns, außerdem fehlte Weltmeister Polen vermutlich aus taktischen Gründen in Luzern. Wir müssen also weiter hart arbeiten und werden dies auch im nächsten Höhentrainingslager auf dem Maltasee (Österreich) tun. Hier können wir uns absolut aufs Rudern konzentrieren, denn es gibt nur 2 TV-Programme und ein Telefon für die gesamte Mannschaft“ schmunzelt Marco Geisler wissend, dass es bis zur WM-Medaille noch viel zu schaffen gilt. „Aber bei dem großen Schritt, denn wir seit München gemacht haben und den gut sechs Wochen, die noch bis zur WM bleiben, können wir sehr optimistisch sein, dass unser „Vierer“ mit Topform in England anreist“.

Auch Jörg Lehnigk hat sich für diese Saison mit Partner Manuel Brehmer (Berlin) große Ziele gesetzt und möchte endlich einmal das Siegertreppchen in einer olympischen Bootsklasse auf einer WM erklimmen. Im Leichtgewichtsdoppelzweier (maximales Durchschnittsgewicht von 70 kg) soll diese Hürde nun auch genommen werden, waren die Resultate auf dem „Göttersee“, der eigentlich Rotsee doch sehr ansprechend. Nach souveränen Vorrennen reichten die Kräfte im Finale doch noch nicht ganz und am Ende sprang ein 5. Rang für das deutsche Duo heraus. „Sicherlich hätten wir uns gewünscht, dass unser Boot ein bisschen besser flutscht, aber letztendlich ist die WM unser großes Ziel. Und nach so vielen vierten, fünften und sechsten Plätzen für den deutschen Leichtgewichtsdoppelzweier in den vergangenen Jahren wollen wir in ETON aufs Treppchen und können den fünften Rang von Luzern verschmerzen. Unser Formaufbau ist schließlich auf die WM ausgerichtet. Da werden wir alles für eine Medaille tun“ fasst Jörg Lehnigk das Ruderwochenende in der Schweiz zusammen.

Das Ratzeburger Trio komplettiert ebenfalls ein Leichtgewicht, nämlich der 24jährige Nils Budde, der im nichtolympischen Doppelvierer in die Medaillenränge vorstoßen wollte. Abgesehen von der olympischen Goldmedaille von Meike Evers 2004 in Athen, ist der Sportmarketing-Student Nils Budde der letzte WM-Medaillen-Gewinner des RRC, in eben genau dieser Bootsklasse. Nach einigen Probeläufen mit verschiedenen Besetzungen wurde die Crew, die von Coach Diethelm Maxrath in Mainz betreut wird, noch einmal umbesetzt und ein Skuller ausgetauscht. In dem eidgenössischen Luzern legte Budde, der erst spät in die diesjährige Wettkampfsaison gestartet war, sich nun mit Ulf Lienhard (Mainz), Joachim Drews (Hamburg) und Michael Wieler (Gießen) in die Skulls. Aber es lief nicht so richtig rund für das Rudertalent Nils Budde. Der DRV-Vierer kam nicht richtig ins Laufen und wurde am Ende sogar von einer deutschen U23-Mannschaft geschlagen, die daraufhin auch die WM-Nominierung bekam. „Klar bin ich enttäuscht, dass die Mannschaft nicht zusammengefunden hat. Nach drei Wochen Trainingslager in Mainz haben wir, trotz unserer individuellen Stärke, einfach nicht mehr daran geglaubt, dass wir in dieser Kombination schnell rudern können und prompt ist dieser Fall auch eingetreten. Wir waren nach den 2000 Metern zwar alle total platt, aber das Boot hat sich kaum vom Fleck gerührt. Uns fehlte die mannschaftliche Geschlossenheit und die Harmonie, der Mannschaftsgeist und die Überzeugung, dass wir alle anderen Boote umhauen werden. Stark genug waren wir dafür. Auf dem Weg in die Irre ist Stillstand ja bekanntlich der Fortschritt und deshalb ist meine Saison seit diesem Wochenende beendet und ich muss mal tief in mich gehen, ob ich den Leistungssport noch bis Olympia 2008 weiter plane. Dazu werde ich mir überlegen: Wo stehe ich? Was sind meine Stärken und Schwächen? Was kann ich noch ein intensivem Zeitaufwand in den Rudersport investieren? Was kann ich mit meinem Talent und diesem Aufwand erreichen? Und was denken meine Trainer dazu? Diese Fragen werde ich für mich im Sommer klären und dann entscheiden, ob ich auch im nächsten Jahr noch weiter Leistungssport betreibe“ zieht ein frustrierter Nils Budde konsequent einen markanten und realistischen Schlussstrich unter seine Saison 2006. Und wenn das Ausscheiden vor der WM erst mal verarbeitet ist, bleibt nur für den Ratzeburger Rudersport zu hoffen, dass sich der beliebte Leistungssportler für eine Fortsetzung seiner Karriere entscheidet.
„Auch wenn ich mich jetzt erst einmal zurückziehe, können sich alle Ratzeburger Ruderfans auf Marco und Jörg konzentrieren, die für den RRC die Fahne hoch halten werden auf den Weltmeisterschaften. Ich selber werde auch einer ihrer größten Anhänger sein, ihnen kräftig die Daumen für England drücken und schauen, ob ich mich von ihren Leistungen für 2007 inspirieren lassen kann“ lenkt der faire Sportsmann Budde die gesamte Aufmerksamkeit auf die beiden verbleibenden Ruderstars aus der Inselstadt.