Barkenfahrt auf der Elbe

Barkenfahrt auf der Elbe

August 2010 – in diesem völlig verregneten Monat gibt es tatsächlich zwei Tage mit Bilderbuchwetter und hochsommerlichen Temperaturen, zumindest einige Kilometer südöstlich von Ratzeburg. Irgendwie muss das der Organisator der Barkenfahrt in meinem früheren Verein, der Treptower Rudergemeinschaft in Berlin-Baumschulenweg, vorher gewusst haben, denn die Fahrt von Litomerice (Leitmeritz) nach Dresden hätte nicht besser terminiert werden können. Aber der Reihe nach:
Frisch aus dem Familienurlaub nach Hause gekommen, mache ich mich am Freitag auf den Weg zum Treffpunkt in Dresden. Dank Autobahnvollsperrungen und baustellen- bzw. stadtfestbedingtem Verkehrschaos am Zielort zwar viel zu spät, aber immer noch als einer der Ersten, treffe ich am Dresdner Ruderverein in Tolkewitz ein. Zeit, unsere bereits für den Transport vorbereiteten Boote zu
begutachten: Zwei Barken mit acht bzw. zehn Ruderplätzen, die uns 23
Fahrtteilnehmern vom Rudergrufti bis zum Fast-Novizen bequem Platz bieten werden. Auch die drei örtlichen Taxifahrer mit ihren Kleinbussen sind bereits da – die bevorstehende lukrative Tour lässt sie die Wartezeit ertragen und das verpasste Dynamo-Fußballspiel vergessen.
Schließlich, nachdem alle eingetroffen sind, geht die Wanderfahrt los. Zunächst auf der nagelneuen Autobahn Richtung Prag, dann über kleinste Landstraßen führt das Navigationsgerät unsere Fahrer ins rund 25.000 Einwohner große Leitmeritz. Die Einsetzstelle an der Elbe haben wir zwar bei einbrechender Dunkelheit schnell gefunden, die Wasserung der Boote dauert dann aber dank nur noch rudimentär
vorhandener Erfahrungen mit Barkenanhängern und fehlender Entscheidungsfreudigkeit bezüglich der Festmachoptionen (ein rundes Dutzend selbsternannte Experten tragen ihren Teil dazu bei) im Lichtkegel der Taxischeinwerfer eine Ewigkeit. Gegen 22 Uhr können wir unsere Fahrer dann endlich entlassen, zum Campingplatz marschieren und unsere Hütten beziehen. Die Küche des Platzes versorgt uns trotz später Stunde noch mit warmem Abendessen
und kaltem Bier, und mit einem nächtlichen Spaziergang durch die äußerst sehenswerte und komplett erhaltene Altstadt geht unser Anreisetag schließlich zu Ende.
Am nächsten Morgen wartet dann das nasse Element auf uns. Da die Mannschaften bereits am Vortag eingeteilt wurden, geht heute alles zügig und komplikationslos vonstatten. Gute fünfzig Kilometer bei zumeist geringer Strömung liegen vor uns.
Dabei passieren wir die beiden letzten Schleusen vor Geesthacht. Der Fluss windet sich als landschaftliches Highlight zwischen 100 m hohen Steilhängen durch die böhmische Pforte, bevor als größte Stadt Aussig (Usti, knapp 100.000 EW) passiert wird. Eine Stippvisite muss hier entfallen, da wir noch ein ordentliches Stück vor uns haben. Tagesziel ist die flussabwärts gesehen letzte tschechische Stadt Tetschen (Decin, gut 50.000 EW). Dank exakter Einweisung der elberfahrenen Dresdner Ruderer finden wir die einzig mit Barken nutzbare Anlandestelle. Zwar liegt später eine Barke mitten in der Nacht wegen deutlich zurückgehendem Elbwasserstand plötzlich trocken und muss wieder flottgemacht werden, ansonsten bleiben wir aber
vor bösen Überraschungen – in Decin sind in der Vergangenheit schon mehrere Boote verloren gegangen – verschont. Wir übernachten in einer nahegelegenen Pension, zumeist in 2- bis 6-Bett-Zimmern. Ganz reichen die Betten nicht, daher werden noch zwei Zelte im Vorgarten aufgeschlagen – und die müssen wegen zähem Nebel am nächsten Morgen leider nass wieder verpackt werden. Am Vorabend aber profitieren wir nochmal vom immer noch sehr günstigen Preisniveau in Tschechien, essen in der diesmal nicht ganz so interessanten Altstadt sehr gut,
und lassen den Abend bis zur Sperrstunde zwischen Pension und Ruderverein gelegenen Biergarten ausklingen.
Am Abschlusstag steht uns nun eine gut 60 km lange Etappe bevor. Klingt viel, aber die nun frei strömende Elbe schenkt uns gut und gern ein Drittel der Strecke. Nach rund einer Stunde erreichen wir Sachsen, und sofort nimmt der Bahn- und Schiffsverkehr am und auf dem Fluss wieder zu. Die Steuerleute müssen heute absolut nüchtern bleiben, denn es gilt historischen Raddampfern, durch Treibgut
knapp unter der Wasseroberfläche festhängenden Fahrwassertonnen,
rücksichtslosen Motorbootfahrern sowie einer Gierfähre auszuweichen, während wir das Elbsandsteingebirge passieren. Auch die Anlegemanöver sind bei der starken Elbströmung gut einzuteilen. Der Pirnaer Ruderverein kommt für ein spätes Mittagessen wie gerufen, denn unser Frühstück war heute so knapp bemessen, dass für Pausenbrote kaum eine Grundlage vorhanden war. Leider ist die
Vereinsgastronomie in Pirna zwar räumlich problemlos, aber personell in keinster Weise auf 23 hungrige Mäuler eingestellt. Daher müssen wir uns damit abfinden, in drei oder vier Etappen zu essen, wodurch sich unsere geplante Ankunft am Ziel doch noch um anderthalb Stunden verzögert. Gegen halb sechs kommt schließlich das „Blaue Wunder“ in Sicht, also schnell gewendet und ans linke Ufer gesteuert. Jetzt
geht alles flott: Schnell den Hänger an den Elbhang rangiert und mittels Winde die Barke aus ihrem Element befördert (Boot Nr. 2 darf im Wasser bleiben, es gibt am Montag einen Nachnutzer), einmal mit Frischwasser geflutet und wieder gelenzt, ein Abschlussbierchen für die Mitfahrer, und ab in die Autos nach Hause. Eine halbe Stunde hinter Dresden erwischt mich dann das seit Stunden in der Luft liegende Wärmegewitter. Dann gönnt mir Petrus noch bis Ludwigslust eine trockene Heimfahrt, bevor ich im allseits bekannten typischen 2010er Augustwetter Ratzeburg erreiche und wieder in den Alltag eintauche.
Jetzt stehen erstmal Langstrecken-Regattaaktivitäten an, aber ich freue mich schon auf die ein oder andere Wanderrudertour 2011 – wo es wohl diesmal hingehen wird?
Vielleicht besteht ja auch im RRC Interesse, mal über die gewohnten Gewässer hinaus aufs Wasser zu gehen. Das lange Himmelfahrtswochenende oder die Zeit nach der RRC-Regatta bieten sich dafür an – und jetzt in der bevorstehenden dunklen Jahreszeit gibt es ausreichend Gelegenheit, entsprechende Pläne zu schmieden.