Der Ratzeburger Ruderclub – Gedanken und Erinnerungen

Der Ratzeburger Ruderclub – Gedanken und Erinnerungen

Im Gründungslokal

Nach einer Vorbesprechung am 23. Februar 1953 fanden wir uns am 20. März 1953 im Obergeschoß des Hotels „Stadt Hamburg“ Domstraße, in einem spartanisch eingerichteten Klubzimmer ein und gründeten den Ratzeburger Ruderclub.
Wir, damit meine ich Gerhard Wandschneider, seines Zeichens Landrat des Kreises Herzogtum Lauenburg, Adolf Tredup, Direktor der ehrwürdigen Lauenburgischen Gelehrtenschule, den Kreiskämmerer Erich Buhl sowie die Herren Konrad Frera, Walter Sabin, Paul Wruck, Dieter Martinsen, Rolf Warnecke, Hermann Neumann, Horst Jobst, Alfred John, Hans Wurms, Fritz Oschlies, Dr. Kurt Langenheim, Claus von Fersen, Walter Schröder, Karl Adam und mich. Dazu kamen die Damen Dorothea Wurms, Eva Maria Kröning und Vera Zimmermann, denn wir hatten uns bereits entschlossen, auch den Frauen den Club zu öffnen. Von den genannten Männern haben fast alle das Zeitliche gesegnet. Das ist heute beim Rückblick eine erschreckende Feststellung für Frau Dorothea Wurms, Rolf Warnecke und mich, die letzten älteren Gründungsmitglieder.

Die Keimzelle des RRC: Das Kleine Bootshaus am großen See

Außer Claus von Fersen, heute erfolgreicher Unternehmer im Westen, und Walter Schröder,  Professor am Institut für Leibesübungen der Universität Hamburg, als erste erfolgreiche Aktiven des Clubs, sind sie alle gegangen. Und gerade die Männer der allerersten Stunde, von denen ich in den Jahren des Aufbaues mehrere als zuverlässige Mitarbeiter und Freunde gewann, sollten wir im Jubiläumsjahr nicht vergessen.
Gerhard Wandschneider nicht, der als „Herzog Gerhard“ unvergessen bleibt, ebnete uns viele Wege auf Kreis- und Landesebene und war mir immer ein treuer Freund und Berater. Adolf Tredup nicht, ohne den weder Karl Adam noch ich hätten aktiv werden können. Über Jahrzehnte fuhr er mit mir im Auto, nicht ohne ein Dutzend seiner geliebten Zigarren, durch Europa zu den Großregatten in Kopenhagen, Amsterdam, Duisburg, Bled und Luzern. Er bildete die zweite Säule unseres Vereins, geliebt und unvergessen. Nicht Walter Sabin, der unterstützt von Franz Maier und später Horst Domke über Jahre die erste einfache Regattastrecke aufbaute und sich hart plagen mußte. Ein Alfred John nicht, als Ausbilder der Senioren und der Damen ist er uns unvergessen wie auch Hermann Neumann als Ausbilder der Ruderriege der Realschule und als technischer Ausgestalter unserer Festräume. Unvergessen bleibt uns auch Heinz Kliefoth, der über 23 Jahre als Finanzbeamter mir als kompetenter Kassenwart zur Seite stand und die erheblichen Finanzmittel für die verschiedenen Bauvorhaben einsetzen und abrechnen mußte.

Ein Elite-Vierer: v.l. Die Trainer Karl Wiepke und Karl Adam, Dr. Walter Wülfing und Dr. Alfred Block.

Aber besonders herausstellen möchte ich Karl Adam. Er bewegte den ersten Stein,  denn er war „sauer“. Der Deutsche Ruderverband und die ihm angeschlossenen Vereine versagten seinem Schützling Claus von Fersen auf Regatten Sieg und Anerkennung. Claus war nur Mitglied einer Ruderriege, der Riege der Lauenburgischen Gelehrtenschule. Das genügte nicht, ein Verein mußte her. So geschah es, am 20. März wurde der RRC gegründet, und keiner ahnte, wohin die Reise ging. Die Gründer wählten mich einstimmig zum Vorsitzenden dieses Vereins; ich hatte als junger Assessor keine Chance, dem zu entrinnen. Damit legten sie großes Vertrauen in mich, und viel Arbeit lag vor mir – für 25 Jahre.
Über Karl Adam und seine erfolgreiche Arbeit habe ich in vielen Clubnachrichten geschrieben. Ich will mich hier nicht wiederholen. Karl wurde durch die Medien so bekannt wie kaum ein anderer Trainer seines Faches in der Gegenwart. Er wurde durch seine neuen Methoden ein Leitbild für alle Ruderer und Trainer. Wir saßen in den Pausen unserer gemeinsamen Schulzeit fast immer im Lehrerzimmer zusammen und berieten und tauschten unsere Gedanken aus. Erfolg und Ehrgeiz standen dabei Pate. Wir wollten es ihnen zeigen, den arroganten Startrainern anderer berühmter Vereine. Und es gelang uns mit bestem neuen Rudergerät, für das ich zu sorgen hatte, und Karl mit seiner neuen Intervall-Methode, mit der Einstellzeit, die er aus den Trainingszeiten der Gegner berechnen konnte. Er wußte daher schon vorher, ob sie zu schlagen waren und wie das technisch zu machen sei. Dazu kamen Experimente, um die Effektivität der Riemen zu erhöhen, und die Verbesserung von Bootskörper und Rennantrieb. In Wilhelm Karlisch fanden wir den unerreichten experimentierfreudigen Bootsbauer in Mölln, auch ein glücklicher Umstand für Karlis Wünsche und für unseren Verein!

Internationale Ruderkontakte: v.l. Bruce Grainger, Wallington- James Hennessy vom Cognac-Yacht-Rowing-Club – Villy Jorgensen vom Kopenhagen Rokclub und Dr. Alfred Block vom Ratzeburger Ruderclub.

Der Bogen der Erfolge spannte sich vom Einer (Claus von Fersen) im Jahre 1955 bis zum Achter 1968 (Olympische Spiele in Mexiko) und damit höchste Anerkennung für Karl Adam, für unseren Club und die Stadt Ratzeburg. Ein Höhepunkt war für Karl sicher der Empfang im Garten des Weißen Hauses in Washington durch den Präsidenten John F. Kennedy, als dieser auf ihn zuging und sagte: „Sie haben die Russen geschlagen, das ist großartig!“
Im Jahre 1968 übernahm Karl Adam die Leitung der Ratzeburger Ruderakademie, die im Zusammenwirken mit Dr. Walter Wülfing praktisch für ihn und die Umsetzung seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse ins Leben gerufen worden war. Ein hohes Ausmaß an Verwaltungsarbeit, die ihm gar nicht lag, war mit dieser neuen Aufgabe verbunden. Leider ist Karl Adam für uns viel zu früh im Jahre 1976 von uns gegangen. Zur Erinnerung an ihn hat die Stadt Ratzeburg nahe des Ruderclubs einen großen Findling als Gedenkstein für ihn errichtet mit seinem Ausspruch: „Die Struktur der Leistung ist auf allen Gebieten gleich.“
Aber ich will heute auch Rolf Warnecke erwähnen, der vor der Ära Heinz Kliefoth in stürmischer Zeit erfolgreich die Kassengeschäfte führte und bis heute nicht weiß, daß ich manche dicke Rechnung an den Club zunächst in meiner Schreibtischschublade ablagern ließ, um seine Nerven zu schonen und ich inzwischen einen Spender finden konnte. Noch heute ist er als Archivleiter des Clubs unersetzbar.
Nur »lnsider« wissen aus Erfahrung, wie wichtig, ja entscheidend, die Ehefrau ist, was die Entfaltung der Persönlichkeit und die positive Wirkung des Mannes in seinem Arbeitsbereich, innerhalb gesellschaftlicher Vereinigungen, in der Politik und Wirtschaft ausmacht. Ist die Ehefrau dagegen, dann läuft nichts, schon gar nichts im Bereich ehrenamtlicher Tätigkeit. Das Schicksal wollte es, daß meine Frau den RRC mit in die Ehe bekam. Wir heirateten sieben Tage nach seiner Gründung am 27.März 1953. Nach anfänglicher Zurückhaltung, was das Leben im Verein anging, entwickelte sie nach Eintritt in den Club eine Fülle von Anregungen und Ideen in dem Sektor Frauenarbeit und gesellschaftliches Leben im Club, die bis in die Gegenwart nachwirken. Ihre Gestaltungskraft, ihre Art des Umgangs mit Menschen und ein phänomenales Gedächtnis ließen meine Arbeit in jeder Hinsicht leichter erfolgreich werden.Ich darf das nach 40 Jahren einmal rückblickend sagen.
Und mit ihrer Hilfe konnte sich ein großer zeitlicher Bogen herzlicher und echter  Freundschaften entwickeln, von Gerhard Wandschneider über Adolf Tredup angefangen, über Dr.Walter Wülfing, unseren „Dr.Ratzeburg“, der mehr als 20 Jahre Gast in unserem Hause war, von James Hennessy, dem Präsidenten des Cognac Yacht-Rowing-Club und Chef des Hauses Hennessy, der bei uns wohnte und über 25 Jahre im Zuge des Deutsch-Französischen- Jugendaustausches unserem Club verbunden war. Gute Freunde wurden Victor Elvang wie Villy Jorgensen mit Wibeke vom Kopenhagens Roklub, die fast schon so gut wie zur Familie zählen.
Dazu gehören ein Dr.Erich Henschel, den ich zur Regatta nach Moskau mitnahm, wo wir im Hotel „Metropol“ bei Sekt und Kaviar unsere Freundschaft besiegelten. Auch ein Albert Damaschke in Büchen gehörte dazu, der von der russischen Achtermannschaft ob seiner Gastlichkeit wie ein Vater gefeiert wurde. Nicht zuletzt gehören dazu ein Otto Tuchenhagen, ein Alexander Kückens, ein Werner Rautenberg und ein Georg Kühling, der ehemalige Güterdirektor des Fürsten von Bismarck in Friedrichsruh. Menschliche Beziehungen und mehr als nur Achtung und Sympathie wuchsen in diesen Jahren zwischen ihnen und mir. Mit ihrer Hilfe konnte ich »Berge versetzen« – ja fast Unmögliches möglich machen. Hier liegt wohl ein kleines Geheimnis für den schnellen, fast kometenhaften Aufstieg unseres Clubs in der Welt in der Zeit von 1955 bis 1968; das sind für mich die Erlebnisse und Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Im Jahre 1978 gab ich die Führung des RRC an den Sparkassendirektor Horst Köster ab.

von Dr. Alfred Block – Ehrenvorsitzender