Horst Meyer verstarb überraschend auf der Insel Lanzarote vor dem Heimflug in seine Heimatstadt Hannover. Ruderkameraden aus einer langen Zeit seiner erfolgreichen Karriere im Hochleistungssport, Freunde und Wegbegleiter, nicht nur aus dem Sport, trauern mit seiner Frau Jutta und der gesamten Familie. Wir haben viel zu früh einen freundlichen, aufmerksamen, einen engagierten und immer hilfsbereiten Freund verloren.
Horst Meyer wurde in Hamburg geboren, wuchs im Stadtteil Harburg auf und erlebte die schrecklichen Flächenbombardements der Alliierten, die in diesem Stadtteil große industrielle Anlagen zerstörten, aber damit auch Tod und Verletzungen in der Zivilbevölkerung brachten. Neben Schule und einer technischen Ausbildung lernte Horst beim Ruderclub Oceana in Hamburg-Harburg das Rudern, eine Faszination, die ihn lebenslang begleiten sollte. Ende der 1950er Jahre wechselte Horst aufgrund sehr viel besserer Möglichkeiten, die im Leistungssport dort geboten werden konnten, an die Alster, zum „Der Hamburger und Germania Ruder Club“. Erfolge unter der Anleitung erfahrener Trainer stellten sich ein, aber Horst wollte mehr. Sein späterer Bootskamerad (von 1962 bis 1964), Jürgen Plagemann, und der auch in Hamburg rudernde Dietrich Rose (1964 in Tokio erfolgreicher Trainer des Amerikanischen Achter-Olympiasiegers vom Vesper Boat Club aus Philadelphia) überzeugten Horst 1962, sich gemeinsam beim Erfolgstrainer Karl Adam in Ratzeburg „vorzustellen“, um ihren rudersportlichen Weg noch erfolgreicher fortsetzen zu können. Dies gelang Horst gründlich, er war an den Erfolgen aller Deutschen Achter zwischen 1962 und 1968 maßgeblich beteiligt. Auf die beiden Siege bei den Weltmeisterschaften 1962 und 1966, die Silbermedaille 1964 bei den Olympischen Spielen in Tokio (hinter dem Amerikanischen Achter, bei dramatischen Windverhältnissen, ohne Tageslicht am späten Abend, aber mit Leuchtraketen) und nicht zuletzt auf den Höhepunkt seiner sportlichen Karriere, den Achtersieg bei den Olympischen Spielen in Mexico-City 1968 muss besonders hingewiesen werden.
Aber es wurde nicht nur gerudert! Für den Ausnahmepädagogen Karl Adam war klar, dass sich selbstbestimmtes Handeln der Athleten im Sport unteilbar mit einer parallelen Entwicklung für und in einem Beruf verbunden sein muss. Horst hatte das nicht nur sehr zeitnah verstanden, sondern sich mit großer Konsequenz „auf den Weg gemacht“. Fachhochschulreife, Ing. grad., Dipl.-Ing. und Promotion zum Dr. rer. pol. waren glänzende Voraussetzungen für seine 1980 gegründete und von Hannover aus erfolgreich geführte Unternehmensberatungsgesellschaft.
Horst war ein guter Beobachter mit ausgeprägten analytischen Fähigkeiten. Auf renntaktische Festlegungen hatten seine großen Erfahrungen maßgeblichen Einfluss. Ganz besonders deutlich erkennbar wurde es in dem mit allen Beteiligten für das Finale in Mexico-City erarbeiteten Konzept. Auch an der Bewältigung von kaum zu lösenden bootstechnischen Problemen war er zentral beteiligt, wie ein Beispiel zeigt:
Europameisterschaft 1965 in Duisburg.
Gegen den Olympiasieger von Tokio, den Amerikanischen Achter aus Philadelphia hatten wir den Grand Challenge Cup bei der ältesten Ruderregatta der Welt in Henley gewonnen. Das war Herausforderung genug für die amerikanische Mannschaft, eine Woche später auf der Ratzeburger Regatta erneut gegen uns zu starten – wieder verlor die amerikanische Mannschaft. Damit war uns aber auch klar, dass es zu einem dritten Zusammentreffen bei der Europameisterschaft in Duisburg kommen würde. Der Finaltag bescherte uns einen außergewöhnlichen Gegenwind auf der Wedau – die Zeit von über 6 Min. und 35 Sek. für den Sieger und Europameister waren sichtbarer Beweis dafür.
Unser Boot war in dieser Saison auf längere als sonst übliche Riemen eingestellt und getrimmt worden. Ein einfacher Wechsel zu kürzeren Riemen, der für das Finale passende Hebelverhältnisse gebracht hätte, war in der bis zum Start zur Verfügung stehenden Zeit unmöglich. Ein Start mit den „eingepassten“ Riemen und die Einstellung der Hebelverhältnisse auf den bestehenden Gegenwind, würde unweigerlich zu einer solchen Verlängerung der Innenhebel führen, dass eine optimale Ruderarbeit nicht mehr möglich wäre. Alle bemühten sich um realistische Vorschläge, das Problem zu lösen; Horst und Karl Adam hatten gerechnet und gewannen uns alle für die einzig machbare Lösung: Die Riemen mussten am Innenhebel um 1,5 cm gekürzt werden! Eine halbe Stunde vor dem Starttermin verteilte der Bootsmeister, Alwin Vorwerk, Sägen und Feilen, die Riemen wurden gekürzt, und jeder Ruderer feilte den Griff, so wie wir es zig-mal bereits getan hatten, wieder „passend“ glatt! Diese Aktion erzeugte einen Menschenauflauf mit nur ungläubigen Gesichtern, die deutlich zum Ausdruck brachten „jetzt sind sie wohl verrückt geworden“. Wir gewannen die Europameisterschaft im eigenen Land.
Der Olympiasieger von 1968 traf sich einschließlich Ersatzleute regelmäßig. Über fünf Jahrzehnte hat Horst auch die Schlagzahl bei diesen Treffen vorgegeben. Das letzte Mal waren wir noch einmal im Oktober 2018, zum fünfzigsten Jahrestag unseres Sieges in Xochimilco, in kompletter Besetzung auf dem Küchensee in Ratzeburg unterwegs.
Ein lieber Freund und ein ganz Großer des Rudersports ist von uns gegangen. Er wird uns fehlen! Wir trauern mit Jutta, seiner geliebten Ehefrau, mit seiner Familie und mit allen, die ihm nahestanden.
Unseren Ruderkameraden Horst Meyer werden wir nicht vergessen.
Dirk Schreyer