Harald wurde am 16.4.2020 plötzlich aus unserer Mitte gerissen. In über fünfzig Jahren Mitgliedschaft im RRC, hatte er sich als Ruderer, Trainer und fleißiger Helfer außerordentlich engagiert. Dabei hinterließ er unvergessliche Spuren und schönen Erinnerungen. Einige davon haben seine Wegbegleiter und Freunde nachfolgend aufgeschrieben. Wir werden noch oft an ihn denken und in Gesprächen seiner gedenken.
Thomas Lange
Harald habe ich kennengelernt, da war ich 10 Jahre alt und habe mit dem Rudern angefangen. Er war mein erster Trainer. Ich habe ihn gehasst: “streng“, „gemein” “gnadenlos”, er hatte mich auf dem Kieker – so weit meine Erinnerung. Heute weiß ich es natürlich besser, er wollte nur, dass Bisschen, was in mir schlummerte, fördern. Dann war irgendwann die Schule, das Studium und der Beruf wichtiger.
Vor zehn Jahren haben wir uns dann wieder gesehen beim Schwimmtraining. Aber das war Harald nicht genug. Er überredete mich wieder mit dem Rudern im Gig mit ihm und Axel anzufangen. Die Freitagsgruppe war geboren, im Sommer im Gig über die Seen, im Winter “Krafttraining” und Sauna. Auch Schwimmtrainings auf der Regattastrecke nach Farchau und zurück durften natürlich nicht fehlen, nur die “bösen” Ruderer “störten” oder störten wir sie? Wenn Sie Harald erkannten, war es immer halb so schlimm.
In allen den Jahren war er und bleibt er immer: Mein Trainer!
Harald, du wirst mir fehlen!
Lars Krieger
Für Harald
Ich hatte das Glück, Harald in den verschiedensten Rollen kennen zu lernen. Als ärgster Konkurrent meines Vaters bei Ruderläufen, als Vater von meinen Freunden Thessa und Justus, als Undercover Coach sobald ich mit Justus oder Thessa im Boot saß, als Organisator des Weihnachtsruderns, als Geschichtenerzähler bei wöchentlichen Saunagängen, als Brücke zwischen den Sportvereinen in Ratzeburg, als „Aushilfscoach“, und als Steuermann beim Fari-Cup 2019. Doch einiges war bei all diesen Erlebnissen gleich: Harald ist stets durch seine Hilfsbereitschaft und Liebe zum Sport aufgefallen. Für Vereins- und Sportskameraden war er immer zur Stelle und dies mit einer Leidenschaft und Emotionalität, die hin und wieder auch mal zu Auseinandersetzung führte – doch eins war sicher: schlussendlich waren sie für ihn alle Familie, für die er keine Mühen gescheut hat.
Sei es im Kinderbereich als Justus und ich uns für den Bundeswettbewerb vorbereitet haben und Harald es sich natürlich nicht nehmen lassen konnte uns – sobald unser Kindertrainerin, Carmen, mal auf der anderen Seite des Sees war – ein paar Tipps zu geben oder Extraeinheiten zu initiieren.
In den Folgejahren als Junior hatte ich zwar seltener das Glück Harald als Coach zu „genießen“, jedoch war er stets präsent. In der Clubsauna habe ich viel über die alten, „besseren“ Zeiten erfahren, wurde zum Schwimmtraining bei den Triathleten eingeladen, und durfte als Jüngling schon beim Weihnachtsrudern teilnehmen – einem Event, dass für Harald – aber heute auch für mich – einen ganz besonderen Stellenwert einnimmt, denn es steht für das Miteinander unter Sportsfreunden, dem Zusammenbringen von verschiedenen Generationen RRC Geschichte, darum dass man sich wenigstens einmal im Jahr sieht und erfährt was die Wegbegleiter von Früher alles erlebt haben.
Meine intensivste Zeit mit Harald erlebte ich jedoch auf dem Weg zum Höhepunkt meiner Ruderkarriere – als ich mich im Sommer 2016 für die U23 WM qualifizieren wollte. Da Schulzi vormittags arbeitstechnisch eingebunden war, dümpelte ich in der ersten Einheit meist alleine auf dem See rum. Jedoch nur bis Harald davon spitzbekam. Er konnte es sich selbstverständlich nicht nehmen lassen einen weiteren Sportler auf ein Großereignis vorzubereiten. Fortan haben wir uns jeden Morgen bei meist regnerischen Bedingungen am Ruderclub getroffen damit er mir die Worte „laufen lassen“ und „zack, Schub, ruuuuhig“ in den Kopf brennen konnte. Scheinbar untypisch war hierbei allerdings, dass er mich nach den Einheiten stets aufgefordert hat die zweite Einheit locker zu machen – eventuell ist er doch etwas sanfter geworden über die Jahre unser Harry. Unvergessen bleiben aber vor allem die turbulenten Tage der Deutschen Meisterschaft in Allermöhe. Nach der langsamsten Zeit im Vorlauf haben Harald und Schulzi es geschafft den Spaß am Rudern und am Wettkampf für mich in den Vordergrund zu stellen. Als ich dann im Finale kurz vor der 1500m Marke Harald‘s bohrende Rufe gehört habe und 200m später im Augenwinkel gesehen habe wie er vor lauter Aufregung vom Radweg abgekommen ist – konnte ich es mir nicht mehr nehmen lassen. Harald hatte es mal wieder geschafft: Er hat einen weiteren Sportler zum Höhepunkt seiner Karriere begleitet. Sobald er es dann nach einer Auseinandersetzung mit den Ordnern auf der Brücke – weil sie ihn nicht schnell genug durchgelassen haben – mit feuchten Augen zum Siegerpodest geschafft hat, bedankte er sich überschwänglich bei mir, dass er dabei sein durfte. Jetzt fragt man sich natürlich: „Wofür bedankt Harald sich eigentlich? Er ist doch jeden Morgen früh aufgestanden, um mich unter oft widrigen Bedingungen für lau zu trainieren damit der ich mein Ziel erreichen kann.“ Alles in allem: Typisch Harry!
Was jetzt noch fehlt: Danke Harald! Danke, dass du mir dabei geholfen hast mein Karriereziel zu erreichen. Danke, dass du mir gezeigt hast was es bedeutet ein Ruderer zu sein. Danke, dass du mich zum Schwimmen und somit meiner neuen Leidenschaft dem Triathlon gebracht hast. Vor allem danke, dass du zwei wunderbare Freunde großgezogen hast.
Sport bedeutet Leidenschaft, Miteinander und Einsatz für andere und du hast es in einer Art und Weise verkörpert, in der du meist nur gegeben, aber nie etwas persönlich für dich gefordert hast – außer 110% Einsatz. Ruhe in Frieden.
Jonas Weller
Harry
Von Moritz Franz und Patrick Pilz
Moritz:
Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage telefonierten Paddy und ich miteinander, was eigentlich sonst mit Glück nur alle paar Wochen mal passiert. Viel haben wir in den letzten Tagen über Harry geredet und uns an die gemeinsame Zeit mit ihm erinnert. Am Telefon stellten wir uns dann die Frage, warum wir damals, nach unseren Junior-Jahren, eigentlich beim Rudern geblieben sind. Eigentlich war doch alles Mist. Als A-Junioren waren wir beide recht erfolglos gerudert. Mir wurde erklärt, dass ich zum Rudern zu klein sein und doch lieber aufhören solle. Paddy hatte zu der Zeit schon sein Pausenjahr eingelegt, aber sein wir ehrlich, Pausenjahr nach den Juniorjahren bedeutet eigentlich Karriereende. Dazu standen wir ohne Trainer da und, da wir die einzigen beiden in unserem Jahrgang waren, die überhaupt hätten weiterrudern können, auch ohne Trainingsgruppe.
Irgendwie bekam Harald davon Wind, und ihm schmeckte das gar nicht, da er wohl wusste, was wir nicht wussten – dass wir den Rudersport doch liebten. Wenige Wochen später saßen wir dann in der Umkleidekabine, Harald hatte einen Trainingsplan geschrieben, drückte uns zwei Kopien in die Hand und sagte „So Männer, los geht‘s“.
Für die folgenden zwei Jahre trainierte Harry uns mit einer Passion, die wir noch nie in einem Trainer oder Sportler gesehen hatten.
Paddy:
„Beine Paddy, Beine!“, brüllt Harry aber ich trete ja schon seit 1750m wie ein Blöder. Vermutlich aber in die falsche Richtung, da das Boot mal wieder gar nicht läuft. Moritz mit Zeitabstand hinter mir gestartet, ist gefühlt seit einer halben Stunde im Ziel und ich rühre noch immer den Küchensee um. Super! Ich habe die Nase voll und endlich komme ich im Ziel vor dem RRC an. Die Belastung hat gesessen, die Zeit ist unterirdisch und meine Moral ist ganz unten. Als Krönung setzt Harry noch einen drauf und fragt mich, warum ich eigentlich so langsam rudere – und ob ich mit meinen Beinen nur schnell laufen könne. Mir platzt der Kragen und ich brülle zurück: „Das ist doch Scheiße – immer nur draufhauen wenn der Kahn nicht läuft bringt mir nichts“. Ich wende den Einer und dampfe zum Steg ab. Heute kein großer Rudersport auf dem Küchensee aber viele Emotionen. Harry lacht und ruft noch irgendwas hinterher, aber ich höre schon gar nichts mehr.
Im Nachgang ein Wunder warum ich überhaupt beim Rudern geblieben bin. Besonderes Talent war nie da. Ganz sicher aber war, dass es Bock gemacht hat mit Harry. Der harte Drill, Hock-Strecksprünge bis man nicht mehr stehen kann oder am Seil in der Halle der Ruderakademie hochklettern bis man fast von der Decke klatscht. Irgendwas war faszinierend und nicht nur Harrys Härte, sondern auch sein Feingefühl für seine Sportler:
Nachdem die Emotionen in der Dusche abgekühlt wurden, setzen wir uns zusammen und es wird Klartext geredet. Was alles Scheiße ist und warum das einfach nicht nach vorne geht mit dem schnell Rudern. Ein paar Tage später kam ein neuer Trainingsplan, voll mit neuen Übungen und abwechslungsreichen Programm, wie Schwimmtraining bei den Triathleten oder Langhanteltraining bei einem Athletenverein. Ich bin vielleicht kein Spitzenruderer geworden, aber ich bin dran geblieben – mit kleinen Erfolgen und vor allem mit einer ungebrochenen Liebe zum Sport, die Harry scheinbar wusste zu wecken.
Moritz:
Eines Tages meinte Harry „Männer, ihr braucht mehr Wumms, ich hab da was für euch“. Er fuhr uns zum Herrnburger Athletenverein 77 e.v, eine halbe Stunde außerhalb von Ratzeburg, um mit einigen Jungs der deutschen Gewichthebernationalmannschaft Krafttraining zu machen. Das verlief auch eigentlich ganz gut, bis dann am Ende Bauchmuskeltraining auf dem Programm stand. Aus welchem Grund auch immer, die Übungen knallten. Am nächsten Tag stand Ergo auf Harrys Trainingsplan, also saßen Paddy und ich nebeneinander auf dem Ergo, ruderten unseren ersten Schlag und kamen beide aus der Rücklage nicht wieder raus, da Harrys Gewichtheberfreunde uns so die Bauchmuskeln zerschossen hatten. Mit unseren Schuhen noch am Stemmbrett krabbelten wir beide auf dem Boden in Richtung Stemmbrett, um uns wieder loszubinden. Lachend und weinend lagen wir auf dem Boden und die Ergoeinheit wurde dann zur Laufeinheit. Nächste Woche waren wir wieder bei den Gewichthebern, und dieses Mal waren wir härter. Und die folgende Woche wieder. Harry hatte erreicht was er wollte, und wir verlegten das Krafttraining wieder nach Ratzeburg, aber dann mit „Wumms“.
Paddy:
Das Telefonat mit Moritz neigt sich langsam dem Ende und die Frage kommt auf, was bleibt? Natürlich die Erinnerung an eine „geile Zeit“ mit Harry. Lachend erinnern wir uns an die vielen Erlebnisse mit ihm. Seine Art als Drill-Meister, seine direkten Sprüche und an seine fürsorgliche, ruhige Persönlichkeit, die uns auf so vielen Trainingseinheiten und Regatten begleitet hat. Beim jährlichen Besuch in Ratzeburg um die Weihnachtszeit herum, war der gemeinsame Saunagang mit Harry im RRC fast Ritual geworden, um über die aktuellen Entwicklungen zu berichten. Natürlich auch darüber was sportlich übers Jahr gelaufen war – oder halt nicht. Mittlerweile fern ab vom Leistungssport hatten Moritz und ich Höhen und Tiefen durchlebt. Doch bei allem war ein Stück Harry stets dabeigeblieben. So kämpfte sich Moritz nach einem gebrochenen Fuß wieder in Form, begann mit dem Radsport und auf dem Weg dorthin, kam die ein oder andere Übung aus Harrys Drill-Katalog zum Einsatz. Ich selbst habe mich nach dem Leistungssport auf diverse Radsportabenteuer begeben. Wenn wir also Harry von Halbmarathons, Home-Workouts oder Mountainbike-Rennen durch Südafrika berichteten, blieb eins stets gleich: Seine ungebrochene Passion für Sport. Wenn man mit Harry über Sport sprach, war das Feuer in seinen Augen unübersehbar.
Rückblickend hat Harry uns also nicht nur im Rudersport gehalten, sondern hat uns mit seiner Passion inspiriert und geprägt und uns damit die sportliche Identität gegeben, nach der wir heute und auch in Zukunft weiterleben werden.
Danke, Harry!
Moritz & Paddy
Persönliche Erinnerungen Harald „Harry“ Schroeder
von: Nils Budde
„Halte den Druck, halte den angenommenen Druck!“
„Vor zwei Wochen in Mölln auf der Langstrecke lief es ja schon recht ordentlich und sehr viel verdanke ich meinem Trainer Harald Schroeder, der mich Schlag für Schlag bei dem knallharten Gegenwind motiviert hat. Während der Rest der Skuller den Endspurt auf den letzten 300m angetreten hat, bin schon bei 700m vor Schluss mit der Frequenz hochgegangen und habe mit Haralds Hilfe alles aus mir rausgeholt. Das wird dann die entscheidenden Sekunden gebracht haben.“ (Lübecker Nachrichten, Dezember 2003)
Der Langstreckentest des DRV im Dezember 2003 war Anfang unserer sportlichen Zusammenarbeit und Beginn einer Freundschaft. Wenige Wochen zuvor hätten wir beide uns kaum vorstellen können, als Gespann bei einer Ruderregatta erfolgreich teilzunehmen. Harry, der familiär bedingt viele Jahre als Trainer pausierte und ich, der sich nach vielen Jahren Leistungssport und studienbedingten Umzug nach Salzgitter mit der Frage quälte, Skulls an den Nagel hängen oder im vierten Anlauf endlich den Traum einer WM-Medaille verwirklichen.
„Ich habe mir folgendes Programm für’s Wochenende überlegt“. Donnerstags reiste ich von Salzgitter zum Training nach Ratzeburg und mit diesem Satz begrüßte Harry mich am Club. Er stellte mir den Trainingsplan für die kommenden Tage, meist auf einem kleinen, unscheinbaren Zettel notiert, vor. Die Einheiten bis Sonntagmittag waren geprägt von Intervallen unterschiedlichster Art. Anschließend seine kurze Frage: „Einverstanden?“.
Gefühlt war das Programm immer zu anspruchsvoll, aber wir beide verstanden uns: „Erstmal anfangen!“ Immer dabei – Harry‘s GPS Navi von Garmin. Unvergesslich Intervalle wie 3 x 12 Minuten im Einer am frühen Samstagmorgen quer über den Ratzeburger See. Harry mit der GPS Uhr im Motorboot immer dicht am Heck ohne Megafon mit einprägsamer Stimme: „Halte den Druck, halte den angenommenen Druck!“.
War Harry „nur“ ein „Schleifer“? Nein. Das Trainingsprogramm wurde immer wieder angepasst. Denn: Harry besaß die besondere Fähigkeit, sich wie kaum ein Zweiter in seine Sportler hineinzuversetzen – meist reichte ein kurzer Augenkontakt: „Heute Nachmittag ruderst Du mal lieber locker 12km alleine“, hieß es da meist nach der Einheit Samstagvormittag. Als ob er mir den Wunsch von den Lippen ablesen konnte, denn ich war schon reichlich platt. „Morgen früh sehen wir uns dann wieder – 08:00 Uhr“, sagte Harry. Und wenn ich am Sonntag um 07:45 Uhr mit dem Rad auf’s Clubgelände fuhr war Harry schon da. Verdeck vom Motorboot heruntergelassen und die Bootshalle geöffnet begrüßte er mich vor der letzten Trainingseinheit des Wochenendes mit einem Lächeln: „Na, Herr Budde, wie geht‘s?“
Dass ich dem Leistungssport bis zum Ende meines Studiums im Sommer 2007 treu geblieben bin, gar den Traum einer WM-Medaille erfüllen konnte, daran hat Harry einen ganz erheblichen Anteil! An unsere gemeinsame Zeit denke oft und gerne zurück – nicht zuletzt wenn ich selbst zu Hause auf dem Ruderergometer sitze, ein Intervall einstelle, der Puls ansteigt und eine Stimme höre: „Halte den Druck, halte den angenommenen Druck!“.