Wer fälschlicherweise annimmt, dass sich Jahreshauptversammlungen in beschaulichen Kreisstädten des Nordens langatmig gestalten, der wurde jüngst im Ratzeburger Ruderclub eines besseren belehrt. Unter den knapp 100 Mitgliedern werden noch viele erzählen können, dass sie dabei waren, als eine Legende die Kapitänsbrücke verließ. Der 1.Vorsitzende und Clubchef, Lingolf von Lingelsheim, gibt nach 10 Jahren fachmännischer Führung das Ruder aus der Hand und lässt einen neuen Steuermann in die Verantwortung des erfolgreichsten Sportvereins in Schleswig Holstein, so man Erfolg in olympischem und weltmeisterlichem Gold bemessen kann. Der 57jährige Familienvater zweier Kinder und Großvater will sich nach insgesamt 35 Jahren in der Führungsebene des Clubs mehr um seine Familie und seine passionierte Neubeschäftigung, die Jagd, kümmern. Mit 14 Jahren als Steuermann der Schülerruderriege zum RRC gelockt und bewusst mit dem Rudervirus infiziert worden, wurde von Lingelsheim mit 18 Jahren Jugendmeister im Zweier, danach Kindertrainer und erwarb sich seitdem den heute unschätzbaren Sachverstand über den Rudersport. Als Bootsmeister des DRV reiste der stets ruhig und locker wirkende Ratzeburger mit Sportlerherz zu insgesamt neun olympischen Spielen und 30 Weltmeisterschaften quer durch Deutschland, Europa und die Welt, trainierte zwischenzeitlich den bekannten Einer-Weltmeister Peter-Michael Kolbe, absolvierte selbst den berühmten Iron-Man-Triathlon auf Hawaii, wirkte bei aller Weitsicht stets mit Bedacht auf die Geschicke des RRC ein und pflanzte über vier Jahrzehnte sukzessiv die Saat, die alle Mitglieder heute in Köpfen und vor allem Herzen tragen: Ohne Lingolf von Lingelsheim wäre der kleine Sportverein zwischen Küchensee und Kastanienallee nicht , was er heute ist! Dass bei seiner Abschiedsrede nicht nur bei ihm selbst, die Emotionen eines langjährigen abgeschlossenen Werkes auf die Stimme drückten, sondern auch bei allen Anwesenden viele Erinnerungen und Gefühle an eine wunderschöne Zeit aufkeimten, beschreibt sicherlich nur ansatzweise den Umfang der Reichweite des Netzes, dass von Lingelsheim für den RRC in der Ruderwelt gesponnen hatte. Alleine 150 Siege auch in dieser Saison 2004 inklusive Goldmedaille bei Olympia! Das, wovon viele Großstadtclubs träumen, und was mit Trainerlegende Karl Adam begann, hat in Ratzeburg unter der Regie von Lingolf nicht nur Bestand, sondern großen Fortschritt für den größten Ruderverein in Schleswig-Holstein und die stolze Stadt Ratzeburg gebracht resümierte Sportwart Olaf Franz über sein erfolgreiches Ressort. Und überhaupt ist im Traditionsverein Teamwork angesagt. Denn der Star ist wie so oft die Mannschaft, nämlich alle Mitglieder zusammen, die dem Verein das Gesicht geben, das der Club von 1953 selbstbewusst zur Schau tragen kann. Und alle über 400 RRCler sitzen nicht nur im gleichen Boot, sondern werden stets im Takt für ihren neuen Schlagmann, Professor Dr. Ing Frank König, rudern und ihm den Rücken stärken. Denn der sympathische Hochschulprofessor für Bauwesen der FH Lübeck hat nach einem Jahr Probezeit im Schatten Lingolf von Lingelsheims nun auf die Überholspur gewechselt und steht fortan als Speerspitze im Wind vor seinen Mitgliedern. Der ruhige und freundlich wirkende Familienvater dreier Kinder aus der Ratzeburger Vorstadt mit dem stets offenen Ohr für alle Belange bringt ein äußerst gutes Omen mit auf die Brücke. Professor König erblickte im gleichen Jahr 1953 das Licht der Welt wie der RRC. Diese einmalige Tradition, die ich früher nur aus der Ferne bewundert habe, verpflichtet mich heute motiviert mit unserem engagierten Vorstandsteam in die neue Saison 2005 zu gehen. Auch wenn die Fußstapfen von Lingolf unheimlich groß erscheinen, bleibt mir der Anreiz diesen großartigen Verein auf Kurs zu halten, doch als riesige Motivation für mich und mein neues Amt. Die eh schon knappe Freizeit wird natürlich deutlich weniger werden, aber wie kann man sie sinnvoller investieren, als in die Möglichkeit an so etwas Großem wie dem RRC und dem Rudersport mitzuwirken erzählt der gebürtige Hamburger, der seit 1992 ein echter Inselstädter geworden ist, nach seiner einstimmigen Wahl zum neuen Aushängeschild des RRC. Bleibt zu hoffen, dass er sich neben Professur und dem Amt des 1. Vorsitzenden noch wenigstens einmal pro Woche beim schönen Rudersport entspannen kann.
Neben der Wahl zum neuen Präsidenten gab es vom Vorstand noch einige andere Mitglieder zu ehren. Für 25 Jahre treue Vereinszugehörigkeit wurden Anja Baison, Dieter Dobbertin, Sven Gehrke, Ingmar Guhl, Karl-Heinz Hagen, Angelika von Lingelsheim sowie Stephan Semmler ausgezeichnet. Gar 40jährige Loyalität erweisen Dr. Lothar Domke, Hubertus Eichblatt, Annemarie Feege, Karl-Heinz Gernet, Susanne Knaack, Klaus Liermann, Peter Niehusen, Reinhard Will und Margot Worm ihrem Ruderverein. Und die treueste Seele des Abends war der persönlich Anwesende Reinhard Hein, der seit 1955 in den schwarz-weiß-blauen Vereinsfarben seinen Beitrag zum Erfolg leistet. Weiterhin wurden Fritz Hanke und Olaf Franz mit der bronzenen, sowie Gunhild Pagel, Nils Budde und Christof Haß mit der silbernen Vereinsnadel für ihre Verdienste um den RRC geehrt. Alles in allem rudert der RRC gut gerüstet gegen Wind und Wellen in die neue Saison und wird beim alljährlichen offiziellen Anrudern am 10.April auch schon wieder die nächsten Boote für die Flotte der Inselstadt taufen können. Und Regattaleiterin Renate Gerks plant bereits seit dem letzten Jahr wieder die große International Ruderregatta, die Ratzeburg am ersten Juni-Wochenende zur Sportstadt machen wird. Weitere Informationen unter www.rrc-online.de