Lehnigks Ritual: Schwitzen für eine Medaille

Ratzeburger Leichtgewicht heute im Doppelzweier-Finale

Um kurz vor sieben klingelt heute im Zimmer 2324 im Marriott Langley Hotel von Eton der Wecker. Noch sieben Stunden bis zum WM-Finale. Doch für Jörg Lehnigk und Manuel Brehmer beginnt es schon jetzt – mit dem Tritt auf die Waage. Für die beiden Leichtgewichte ist sie „mal unser bester Freund, mal unser größter Feind“. Sie ist unbestechlich, präzise. „Und wir haben sie immer mit dabei.“
Das Gewicht – für den 26 Jahre alten Ratzeburger Lehnigk und den Berliner Brehmer ist es das entscheidende Kriterium. Überschreitet es das Limit, sind die Leichtgewichtsruderer raus, disqualifiziert. Für Lehnigk liegt das Limit bei 69,5 Kilo, für Brehmer bei 70,5. „Zwei Stunden vor dem Start müssen wir die Punktlandung hinlegen“, erklärt Lehnigk. Und die geht für den 1,80 Meter großen Studenten mit dem Abschwitzen vor dem Start einher. „Für uns ist es ein Ritual.“ Allerdings kein ungefährliches.
Lehnigk kennt die Risiken des „Abkochens“, bei dem der Körper überhitzen kann. Deshalb beginnt das „Ritual“ für ihn schon lange vorher. Bis zum Abend vor dem Rennen erlaubt er sich nur maximal zwei Kilo zu viel. „Über Nacht verliere ich gut ein Kilo.“ Bleiben noch 1000 Gramm.
Und die sollen heute nach dem Frühstück, einem 65-Gramm-Kohlenhydrat-Riegel, fallen. Lehnigk und Brehmer drehen gut fünf Stunden vor dem Start schon auf dem Wasser eine Vier-Kilometer-Runde. Anschließend geht es zum 30-Minuten-Lauf. „Und dann habe ich mein Gewicht. Nach dem offiziellen Wiegen können wir aber wieder nachlegen.“ Meist mit Brötchen, Marmelade, Riegel und Wasser. Was ist mit Müsli, Milch, Kaffee? Lehnigk lacht: „Ich will noch rudern.“
14 Uhr, Eton-Zeit: 2000 Meter trennt das Doppelzweier-Duo noch von einer Medaille. Sie wissen: Die letzten 400 Meter werden sie nichts mehr sehen, nichts mehr hören. Die schmerzenden Arme werden sie nicht mehr spüren. Sie wollen nur eins: Nach Platz sechs im Vorjahr eine Medaille – ihre erste gemeinsame. Und erst nach dem Rennen gönnen sich beide das Normalste der Welt – ein üppiges Mittagessen.

Bild 1: Rudert heute im leichten Doppelzweier um eine WM-Medaille: Jörg Lehnigk. *Foto: SIMANN