Norddeutsche Meisterschaften 2006 – Die „Bullen vom Küchensee“ sind zurück

Siegreich- und trotzdem nur „Meister der Herzen“

Überkorrekte Schiedsrichter verhindern Ratzeburger Sieg

Ganz Ruder-Ratzeburg darf sich wieder über einen neuen erfolgreichen Männerachter freuen. Gut ein Jahrzehnt nach dem letzten großen Erfolg bei den Norddeutschen Meisterschaften auf der Hamburger Dove-Elbe ist das Aushängeschild aus der Inselstadt in Bestbesetzung zurück.
WM-Starter und Schlagmann Jörg Lehnigk trieb die Männer hinter sich in einem grandiosen 1000-Meter-Rennen gegen die besten Teams aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Berlin, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern in Führung. Und USA-Rückkehrer Florian Mennigen, Arne Lange, Hannes Heppner, Steffen Petz, Thomas Lange, Jens Burow und Nils Budde folgten dem Rhythmus vom 26jährigen Lehnigk und den Kommandos vom 15jährigen Steuermann Tim Behrend blindlings und setzten sich mit dem gewohnt wuchtigen Streckenschlag vom Feld ab. Kein Wunder, denn alle Achterrecken waren bereits entweder auf Weltmeisterschaften oder Deutschen Meisterschaften erfolgreich und brachten nicht nur die Physis, sondern auch die entsprechende Erfahrung mit ins Boot. Im Endspurt flammte dann wieder die alt-bekannte Mannschaftsstärke der „Bullen vom Küchensee“ auf und sie erwehrten sich der Angriffe des favorisierten „Hamburger und Germania RC“, dem ältesten Ruderclub Deutschlands, und gewannen mit einer dreiviertel Bootslänge. Entsprechend groß war der Jubel der „Weiß-blauen“ im RRC-Achter „Dr. Alfred-Block“. Dieser verstummte jedoch völlig überraschend, als das gewohnt streng-korrekte Hamburger Schiedsrichtergespann den Sieger im weißen Boot „Dr.Alfred-Block“ direkt nach der Zieldurchfahrt disqualifizierte. Die Begründung dafür war ebenso schlicht wie niederschmetternd. Den eifrigen Referees war nicht entgangen, dass das mitzuführende Zusatzgewicht von 10 kg, statt beim Steuermann, in der Mitte des Bootes nach siegreicher Zieldurchfahrt hochgehalten wurde, was verboten ist. Denn wenn der Steuermann nicht das nötige Mindesgewicht von 55 kg ins Heck des Bootes bringt, muss er die Differenz als Zusatzgewicht an seinem Steuermannsplatz mitführen und den Zielrichtern anzeigen. „Ein unbeabsichtigter Formfehler von uns, der natürlich so im Reglement nicht erlaubt ist, in einem Männerachter, der inklusive ruderndem Personal fast 1 Tonne wiegt, aberr keinen Vorteil bringt“, erzählt ein enttäuschter RRC-Trainer Kai von Warburg hin und hergerissen zwischen den Emotionen des herausragenden Comebacks und der überaus korrekten Entscheidung der ehrenamtlichen Schiedsrichter, denen sicherlich selbst nicht wohl bei diesem Ausschluß war.
Ohne Zweifel war die Disqualifikation eine absolut regelgerechte Sanktion des DRV-Personals, aber ob sie dem Rudersport letztendlich dienlich ist, bleibt ernsthaft zu hinterfragen. Mit ein klein wenig mehr Fingerspitzengefühl hätte man dem großen Finale der Regatta einen glücklicheren Ausgang verschaffen können. Die für eine Siegerehrung in der Königsklasse so typische Jubelstimmung konnte nicht so recht aufkommen, die Freude der ausgezeichneten Sieger hielt sich entsprechend in Grenzen. Die zweit- und drittplatzierten Hamburger Achtermannschaften bewiesen jedoch großen Sportsgeist, indem sie den obersten Treppchenplatz frei ließen. Die viertplatzierten Berliner legten erst gar nicht am Siegersteg an. Dass solche unpopulären Entscheidungen regelgerecht getroffen werden, bleibt zwar ohne Diskussion, aber es drängt sich förmlich die Frage auf, ob dem ohnehin nicht gerade mit Zuschauern überladenen Rudersport, solche Kopfentscheidungen mehr weiterhelfen, als ein geschicktes Bauchgefühl und ein erfahrener Blick in die Augen der Sportler. Denn einem interessierten Zuschauer wird wohl eher schwierig klar werden, ob es einen wesentlichen Unterschied macht, ob 10 kg ein bißchen weiter hinten oder in der Mitte des Achters platziert sind, wenn acht muskelbepackte Ruderrecken mit 40 Schlägen pro Minute schwungvoll vor und zurück wuchten und es am Ende keine knappe Entscheidung ist. „Sicherlich ist es ärgerlich, dass wir offiziell nicht gewonnen haben, aber wir haben schließlich doch noch bei uns im RRC gefeiert wie echte Sieger, eine Fertigkeit, die die Ratzeburger Ruderer schon immer ausgezeichnet hat und die Mannschaft wird nächstes Jahr wieder nach Hamburg zurückkommen, motivierter als je zuvor“ schließt Coach von Warburg das Kapitel ab und blickt bereits in die Zukunft. „Dennoch einmal ein großes Kompliment und Respekt an die gegnerischen Teams,insbesondere die gastgebenen Hamburger, die nicht nur uns und den Zuschauern stilvoll demonstriert haben, dass die Faszination Rudern weit über die Buchstaben des Regelhandbuchs hinausgeht“. Um den Schiedsrichtern, die in ihrem Ehrenamt sicherlich keine leichte Aufgabe haben, ein wenig Unterstützung zu geben, sollte der DRV den starren Regelirrsinn ein wenig auflockern, um nicht noch weitere spannende Achterfinals unter Wert zu verkaufen.