Jörg Lehnigk quält sich für den Erfolg quer durch Europa
Das nächste Jahr wird zugleich das härteste und das letzte Ruderjahr des 27jährigen Jörg Lehnigk vom Ratzeburger Ruderclub werden. Der in Greifswald geborene Leichtgewichtsskuller rudert bereits seit 17 Jahren für die “Blau-Weißen” von der Dr. Alfred-Block-Allee am Großen Küchensee und steht vor der wichtigsten Saison seines Ruderlebens. Der stets fröhliche A-Kader-Athlet hat nach dem 8. Platz der diesjährigen Weltmeisterschaften in München vier Wochen Zeit zum Durchatmen, Nachdenken, Kraftschöpfen und erholen gehabt, bevor es seit Anfang Oktober wieder weiter geht in Richtung “Olympische Spiele 2008”.
Doch selbst im Urlaub auf Usedom konnte der ruderbegeisterte Sportstudent nicht total loslassen vom Sport und trainierte bereits wieder locker auf dem Mountainbike auf der landschaftlich reizvollen Ostseeinsel. Seit zwei Wochen besteigt der 1,80m große und 72kg leichte Skuller jedoch auch wieder seinen lieb gewonnenen Skiff auf den Ratzeburger Gewässern, um sich mit Bundestrainer Lothar Trawiel fit für die Spiele zu machen. Denn ab jetzt wird sein ganzes Leben der Passion Rudersport unterstellt.
“Ich habe mir extra zwei Urlaubssemester genommen, um mich voll auf den Sport und meine Vorbereitung zu konzentrieren. So kann ich Trainingsumfang und “Intensitäten noch einmal steigern auf bis zu 25 Trainingsstunden pro Woche ohne mir noch Sorgen um die Uni machen zu müssen”, erzählt der ehemalige U23-Weltmeister und WM-Bronzegewinner. Lehnigks Ziel ist wieder einmal der olympische Leichtgewichtsdoppelzweier, den Lehnigk nun schon seit drei Jahren national gemeinsam mit seinem Berliner Partner Manuel Brehmer dominiert. Nun soll aber auch endlich eine internationale Medaille her und das am besten bei Olympia. Nie war die Gelegenheit günstiger. Das unglaubliche Gefühl vom olympischen Zauber kennt der Arztsohn schon seit 2000, wo er als Ersatzmann in Sydney dabei war Blut geleckt hat und seitdem vom olympischen Edelmetall träumt. Dafür muss sich Frohnatur Lehnigk aber noch durch einige harte vom Bundestrainer verordnete Trainingsmaßnahmen kämpfen. Anfang November geht es mit dem Top-Team Peking der DRV-Männer Skull für drei Wochen nach Soustons in Südfrankreich, wo im “Centré sportif de lIsle verte” ausreichende Grundlagen und Athletik für die harten Intensitäten des Winters geschaffen werden sollen. Dann folgt die 6-Kilometer-Langstreckenregatta in Dortmund im Dezember, bevor es im Januar für weitere drei Wochen nach Sabaudia (Italien) geht. Im März steht der nächste Drei-Wochenblock in Sevilla (Spanien) an, bevor im Mai drei Wochen in Weißensee (Österreich) folgen. Dazwischen ein paar Weltcups in Polen, Holland und der Schweiz, bevor es wieder nach Österreich zur unmittelbaren Wettkampfvorbereitung (UWV I) geht. Von dort direkt nach Peking (China), um sich in der UWV II ein paar Wochen lang an den klimatischen Umstände in Asien anzupassen.
Das werden Wochen voller harter Arbeit ohne großen Verdienst in einem romantischen Sport, wo man nicht reich werden, sondern ausschließlich Ruhm und Ehre ernten kann. Da bleibt zu hoffen, dass die finanzielle Unterstützung durch den DRV oder das Land Schleswig-Holstein so ausreichend ist, dass der lebenslustige aber ehrgeizige Lehnigk, der seit 1990 für “seinen” RRC startet, nicht die Fahnen wechseln muss. Denn in Schleswig-Holstein bekommen die Kaderathleten, im Gegensatz zum direkt benachbarten Hamburg, keine 400″ Olympiaförderung extra pro Monat und so sind schon einige bekannte Spitzenathleten und Ruderstars aus dem nördlichsten Bundesland gen Hamburg abgewandert. Letztes prominentes Beispiel ist der vierfache Weltmeister und Olympia-Dritte Marco Geisler, der für seinen letzten “Angriff auf Olympia” vom Ratzeburger RC zum RC Favorite Hammonia Hamburg wechseln musste. Besonders pikant ist die Tatsache, dass Hamburger und Schleswig-Holsteiner einen gemeinsamen Olympiastützpunkt betreiben, die Sportler jedoch je nach Bundesland unterstützt werden. Und dabei bleibt den wenigen Olympiasportlern, die Schleswig-Holstein noch hat, nur das Nachsehen, neidische Blicke oder schlicht und einfach der Wechsel. Letzteres wäre natürlich tragisch, da gerade der Rudersport eine große Tradition im Lande hat.
“Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen nach 17 Jahren nicht mehr für meinen “Club” zu starten, aber falls mich der Deutsche Ruderverband und das Land Schleswig-Holstein nicht ausreichend unterstützen können muss ich mir logischerweise überlegen, wie ich über die Runden komme. Denn bei 25 Wochentrainingsstunden und diversen Trainingslagern schaffe ich es einfach nicht mehr noch nebenbei in einem Studi-Job zu arbeiten. Außerdem war die Grundidee ja eigentlich, dass ich mich voll auf den Leistungssport konzentrieren kann. Denn meine Motivation eine Medaille in Peking zu gewinnen, ist so hoch wie nie. Ich bin heiß!”, erzählt ein Jörg Lehnigk mit leuchtenden Augen über seinen Traum Olympia und man merkt ihm an und spürt, wie heiß der junge Athlet auf seine letzte und wichtigste Saison ist.