Bootshausbau und Achterlänge

Wenngleich ich niemals im Leben gerudert habe, hat der Rudersport in Ratzeburg großen Einfluß auf mein Leben gehabt, Gewissermaßen im Kielwasser der Ratzeburger Rudererfolge konnte ich beruflich Fuß fassen und meine Existenz als freier Architekt aufbauen. Und doch war mit dem Bau des 1. Bauabschnitts der Bootshalle eine große Sorgenperiode verbunden, und das kam so:
Es war Mitte des Jahres 1955. Erst wenige Monate vorher hatte ich mir ein kleines Häuschen gemietet, ein Firmenschild an die Tür geschraubt und für das letzte Geld eine Anzeige aufgegeben, daß sich ein Architekt in Ratzeburg, Am Domhof niedergelassen hatte. Nun harrte ich der Dinge, die da kommen sollten.
Das herausragende Ereignis dieser Tage war ein Anruf des Ratzeburger Ruderclubs, von dessen Existenz ich noch nichts wußte. Ich wurde gebeten, wegen einer Bauangelegenheit an der kommenden Vorstandsitzung teilzunehmen. Im Hohenzollernkeller wurde mir vom Vorsitzenden, Dr. Block mitgeteilt, daß der Ruderclub beabsichtigte, ein Bootshaus zu bauen und der Vorstand beschlossen hatte, mich mit der Planung zu beauftragen. Natürlich nahm ich den Auftrag hocherfreut an. Wie imageträchtig die Sache für mich werden sollte, konnte ich noch nicht ahnen, denn zu dieser Zeit war auch in Ratzeburg der Ruderclub nicht annähernd so bekannt wie heute.
Wir machten uns sogleich an die Arbeit. Die Länge der Bootshalle sollte 12 Meter betragen, also für Viererboote ausreichen. Für ausgeschlossen wurde gehalten, daß der RRC jemals einen Achter besitzen könne. Nach zwei, drei Wochen waren die Pläne fertiggestellt und der Bauantrag sollte eingereicht werden. Da meldete Studienrat Wurms, Leiter des Alumnats, Bedenken an. Er wies darauf hin, daß sich die Gerüchte verdichtet hätten, Ratzeburg solle Standort des Bundesgrenzschutzes werden. Wenn sich das bewahrheiten würde, so argumentiert er, wäre mit Männern vom BGS vielleicht doch einmal ein Achter zu besetzen und schlug vor, die Bootshalle so zu bemessen, daß auch ein Achter unterzubringen wäre. Meine Frage, wie lang die Halle dann sein müsse, wurde vom Trainer mit 18,0 m beantwortet. Ich sah eine Möglichkeit, den Grundriß zu ändern, ohne das Bauvolumen zu vergrößern. Der Bauantrag wurde auf den Weg gebracht, die Baugenehmigung erwirkt und mit der Baudurchführung im Februar 1956 begonnen.
Im August 1956 fanden noch gesamtdeutsche Meisterschaften statt, und zwar in Berlin-Grünau auf der alten 01ympiastrecke. Als Schlachtenbummler war ich mitgefahren und erlebte die Sensation der beiden ersten Deutschen Meisterschaften für den RRC durch Klaus v. Fersen und Manfred Rulffs. Zur gleichen Zeit wurde die Bootshalle fertiggestellt und konnte eingeweiht werden. Aus beiden Anlässen gab es eine große Feier in der Gaststätte “Waldesruh” am Küchensee, Dr. Block stellte mich den vielen Gästen als den Planverfasser vor. Es wurde applaudiert. Als drei Jahre vorher zugereister Hamburger kannten mich nur Wenige. Die Stimmung im Saal war großartig, nur ich saß beklommen da. Warum?
< Ich hatte in Grünau Ruderboote und insbesondere Achter angesehen und Ausgemessen. Alle waren länger als 20 Meter. Mir war also seit einigen Tagen klar, daß kein Achter in unsere Bootshalle hineinpassen würde. Warum nur – so machte ich mir Vorwürfe – hatte ich den Maßangaben getraut und nicht in meinem Fachbuch nachgesehen, denn da stand auf Seite 252, daß Achter Über 20 Meter lang sind.

Immer noch deprimiert, fuhr ich eine Woche später wieder als Schlachtenbummler mit nach Gent zu den Europameisterschaften. Hier wurde ich durch den russischen Achter von meinen Sorgen befreit. Die Russen siegten im Achter mit einigen Längen Vorsprung. Ihr Boot wurde von allen begutachtet und am nächsten Tag war in Berichten zu lesen, daß es nur 17,50 m lang war. Die Tropfenform hatte sich durchgesetzt.

Meine Bootshalle war lang genug…

Jahre später wurden die Achter m. W. wieder länger. Aber da war die Halle bereits um 6 Meter verlängert. Kein Mensch konnte mehr meine beruflichen Fähigkeiten, was die Länge einer Bootshalle für Ruderboote angeht, in Frage stellen.

Aufgeschrieben 43 Jahre danach für Dr. Alfred Block zu seinem 85, Geburtstag am 10. Oktober 1999.